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Tag: Grand Prix

Nichts für ungut Bockelmann

Sie hat­ten ein­mal ‑da waren Sie etwa Mit­te 40- das unzähm­ba­re Bedürf­nis, sich vor­zu­stel­len, wie das so ist – das Leben mit 66. Und so brach­ten Sie Ihren Hit Mit 66 Jah­ren über die Ram­pe und damit unter’s Volk. Ich muß geste­hen, bereits damals so ein unbe­stimm­tes ambi­va­len­tes Gefühl die­sem Stern der Par­ty­kul­tur gegen­über zu haben.
Einer­seits sang ich ‑wie fast alle- Ihren durch­aus gelun­ge­nen Ohr­wurm mit, ande­rer­seits aber glaub­te ich, daß viel­leicht nicht weni­ge Men­schen um das besun­ge­ne  Alter her­um dies (das Sin­gen) nur mit einem gequäl­ten Lächeln tun können.

Nun ‑inzwi­schen selbst in die­sem Alter- stel­le ich fest, daß sich Ihr Lied ein wenig nach Hohn anhört, was sicher nicht Ihre Inten­ti­on war. Aber trotz­dem sei die Fra­ge erlaubt, Herr Bockel­mann, ob es Ihnen ähn­lich ergeht; schließ­lich befin­den Sie sich ja bereits jen­seits der 70.
Wie kom­men Sie eigent­lich in die­sem Alter damit klar, daß die Fein­mo­to­rik nach­läßt? Oder haben Sie früh­mor­gens etwa kei­ne schmer­zen­den Fin­ger­ge­len­ke? Ich fin­de, das ist schlim­mer als die­se klei­nen schmer­zen­den Knöt­chen, die in der Hand­flä­che unter den Fin­ger­wur­zeln vor sich hin wuchern. Für Sie als Kla­vier­ar­bei­ter muß das doch beson­ders schlimm sein, schlim­mer jeden­falls als schmer­zen­de Füße ‑mit denen spie­len Sie ja nicht sooo häu­fig auf Ihrem Mar­ken­flü­gel- beson­ders die Fuß­soh­len schei­nen mit fort­schrei­ten­dem Alter immer dün­ner und emp­find­li­cher zu wer­den (Oder das Stra­ßen­pflas­ter ver­än­dert lang­sam sei­ne Kon­sis­tenz – hin zu spit­zen Struk­tu­ren. Was machen Sie dage­gen? Teu­re hand­ge­fer­tig­te 1.000-Euro-Schuhe, oder bil­li­ge 2‑Eu­ro-Ein­la­gen vom Schuh­dis­coun­ter? Also, ich schwö­re ja auf Letz­te­res. Zwangsweise.

Und die Augen … – also ich sage Ihnen Herr Bockel­mann, ein Glück daß die 88 Tas­ten Ihres Flü­gels im kon­trast­rei­chen Schwarz-Weiß gehal­ten sind; auch die Noten sind ja in die­sen Far­ben notiert. Ich wage ja gar nicht dar­an zu den­ken, wenn Tas­ten und Noten in, in … sagen wir mal in Gelb-Grün, oder in Ocker-Rot gehal­ten wären – nicht aus­zu­den­ken, was wir ‑Ihr Publi­kum- in die­sem Fall von Ihrem Flü­gel hören wür­den …
Nun, der Kon­trast ist das eine, etwas ande­res ist die Seh­schär­fe, die Sie doch bestimm­te mit Kon­takt­lin­sen etwas nach­re­geln? Ich selbst bevor­zu­ge ja das klas­si­sche Augen­glas. Ehr­lich, prak­tisch, gut; nun ja, klei­ner Scherz von mir.

Also, was mich beson­ders nervt, sind die­se lang­sam im Glas­kör­per des Auges dahin­trei­ben­den braun-schwar­zen Gebil­de. Fuuurcht­bar sage ich Ihnen; geht es Ihnen ähn­lich? Wenn die­se Flat­schen nicht wären, wäre die Blick­feld­ver­en­gung viel leich­ter zu ertragen.

Was machen Sie eigent­lich, wenn Ihnen mal der Kamm ‑Sie haben doch noch Ihr eige­nes,  jun­gen­haf­tes, vol­les  Haar?- her­un­ter­fällt? Bücken Sie sich da höchst­selbst, oder haben Sie einen Domes­ti… äh, einen Per­sön­li­chen Assis­ten­ten ‑der die Bück­pro­ze­dur klag­los für Sie über­nimmt- angestellt?

Ich muß Ihnen geste­hen Herr Bockel­mann, wenn ich mich bücken muß ‑weil ich mir zum Bei­spiel die Schu­he zubin­den möch­te- also, wenn ich mich mal mit schmer­zen­den Knien, knir­schen­den Wir­beln und zie­hen­den Waden­mus­keln bücken muß, über­le­ge ich immer, ‑da ich mich ja bereits in Boden­nä­he befin­de- gleich noch mit erle­di­gen könn­te. Also lese ich ein paar Krü­mel vom gest­ri­gen Abend­brot auf, fin­de die ver­miß­te M3-Schrau­be mei­ner exter­nen Fest­plat­te und drü­cke noch schnell den Tele­fon­ste­cker fes­ter in die Buch­se. All­zu lan­ge kann ich nicht unten blei­ben, weil sonst der Krampf im Ober­schen­kel … – also, ich sage Ihnen mein Alter; dann muß schnells­ten eine Tisch- oder Schrank­kan­te in der Nähe sein…

Herr Bockel­mann, sagen Sie mal ehr­lich, Ihr Gehör ist doch noch in Ord­nung, so halb­wegs wenigs­tens? Sie haben doch nicht etwa einen klei­nen, ektro­ni­schen Mann im Ohr? Also, ich fin­de das läs­tig. Man kann sich schließ­lich ein wenig dar­auf ein­rich­ten, daß Autos und Stra­ßen­bah­nen lei­ser fah­ren, als zu der Zeit, in der Sie Ihren Meis­ter­sang schrieben.

Also was mich betrifft, bin ich etwas irri­tiert, daß die Audio­welt jen­seit der 8 kHz nur noch als Ahnung vor­han­den ist. Ich hof­fe doch, daß Sie noch nicht ver­ges­sen haben, wie sich hohe und höchs­te Töne eigent­lich anhören?

Apro­pos ver­ges­sen… Ver­sem­meln Sie auch manch­mal einen Kon­zert­ter­min ‑so wie ich Arzt­ter­mi­ne- ? Oder ver­ges­sen Sie manch­mal sogar, wie sie … hmm…  zum Bei­spiel den Domi­nant-Sept-Akkord in der Regel zur Toni­ka hin auf­zu­lö­sen haben? Oder las­sen Sie ‑ich will es doch nicht hof­fen?- etwa gar die Quin­te weg, weil dadurch die Auf­lö­sung ein­fa­cher wird?!

Ja, lie­ber Herr Bockel­mann und sonst? Was machen die Zäh­ne? Ich mei­ne, die Kame­ra schaut Ihnen nicht nur auf die Fin­ger, son­dern ‑beson­ders bei Ihrem halb­me­ter­ho­hem Lächeln- oft auch bis zur Spei­se­röh­re.
Mein lie­ber Schwan, da muß man natür­lich sehr sicher sein, daß die schö­nen, frisch geweiß­ten Bei­ßer­chen nicht etwa klap­pern – heu­ti­ge Mikro­pho­ne sind doch sau­emp­find­lich.
In die­sem Zusam­men­hang sei mir ein klei­nes Heinz-Erhardt-Zitat gestat­tet:

Die alten Zäh­ne wur­den schlecht
und man begann sie aus­zu­rei­ßen.
Die Neu­en kamen gra­de recht,
um mit ihnen in’s Gras zu beißen.

 Viel­leicht ver­su­chen Sie mal ‑aus heu­ti­ger Posi­ti­on- ein wei­te­res Lied zum The­ma? Eigent­lich müss­ten Sie bereits ähn­li­che Gedan­ken gewälzt und dabei fest­ge­stellt haben, daß die genann­ten Pro­ble­me wenig medi­en­wirk­sam in schmis­si­ge Melo­dien und knapp gereim­te Ver­se gie­ßen las­sen; auf  “… mei­ne Kno­chen kna­cken” gibts eben kei­nen stu­ben­rei­nen Reim und auf  “schmer­zen­de Gelen­ke” reimt sich eben­falls nur wenig Sinn­vol­les.
Also ich sage Ihnen, Alter: “Mit 66 Jah­ren, da fängt das Leben an” – das war wohl nix. Mei­ne schmer­zen­de Hand drauf, Herr Bockel­mann.
Ach so, hat­te ich doch glatt ver­ges­sen; hier, bit­te. Und hier auch noch.

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